Studierendenproteste in Thailand trotz Medienzensur der Regierung

Der Artikel von Sek Sophal erschien ursprünglich auf Coconet, eine von der gemeinnützigen Medien-, Technologie- und Kulturorganisation EngageMedia unterstützte Plattform zur Stärkung von Bewegungen im asiatisch-pazifischen Raum, die für digitale Rechte eintreten. Im Zuge einer Vereinbarung mit Global Voices zur gemeinsamen Nutzung von Inhalten wird hier eine überarbeitete Version des Artikels veröffentlicht.

In Thailand bleibt die von der Jugend geführte pro-demokratische Bewegung trotz des ausgerufenen Ausnahmezustands, durch den Treffen von mehr als vier Personen verboten sind, weiterhin aktiv. Als Reaktion auf die Proteste untersagte die Regierung in einer Verordnung vom 16. Oktober vier unabhängigen Medienunternehmen und einer Facebook-Seite die Veröffentlichung von Nachrichteninhalten. Als Grund wurde genannt, dass diese Organisationen eine Gefahr für die nationale Sicherheit darstellten. Die betroffenen Organisationen sind Voice TV, Prachatai, The Reporters und The Standard sowie die Facebook-Seite der Bewegung Free Youth (in etwa: Freie Jugend). Die Verordnung wurde vom nationalen Polizeichef Suwat Jangyodsuk auf Ersuchen der National Broadcasting and Telecommunications Commission (in etwa: Nationale Rundfunk- und Telekommunikationskommission) und der Digital Economy and Society (in etwa: digitale Wirtschaft und Gesellschaft) unterzeichnet.

Das Verbot wurde nach einer Anordnung des Criminal Court (in etwa: Strafgericht) vom 21. Oktober bereits aufgehoben. Das Gericht nahm Bezug auf die Abschnitte 35 (1) und (2) der Verfassung, die besagen, dass „ein*e Medienschaffende*r die Freiheit haben soll, Nachrichten oder die eigene Meinung im Einklang mit der Berufsethik darzustellen“ und, dass „die Schließung einer Zeitung oder eines anderen Massenmediums, denen die Freiheit gemäß Absatz eins entzogen wurde, nicht zulässig ist.“

Die Entscheidung der Regierung, eine Durchsetzung dieses Verbots zu versuchen, war fehlgeleitet und kontraproduktiv. Sollte die thailändische Regierung das Ziel verfolgt haben, durch die Zensur der vier Medienhäuser die andauernden Proteste zu stoppen oder zu schwächen, so wurde dies nicht erreicht.

Protestkommunikation ist auch abseits dieser Medien aktiv

Voice TV, Prachathai, The Reporters und The Standard spielten schon lange vor den aktuellen Protesten eine essenzielle Rolle dabei, die thailändische Öffentlichkeit mit verständlichen und unabhängigen Nachrichten zu versorgen. Durch ihre hochqualitativen Inhalte, ihre Professionalität und ihre Berufsethik gelang es diesen Medienorganisationen, ihre Beliebtheit zu steigern. Der YouTube-Kanal von Voice TV erreichte während der Berichterstattung zu den Protesten über zwei Millionen Abonnent*innen – damit ist es derzeit eines der beliebtesten Nachrichtenportale im Land.

Sollte durch das Notstandsdekret verhindert werden, dass sich die Nachrichten über die Proteste weiterverbreiten, war dies die falsche Strategie. Zwar sind viele thailändische Jugendliche auf diese unabhängigen Medienorganisationen angewiesen, jedoch veröffentlichen mehrere weitere Online-Plattformen die gleichen unabhängigen Inhalte. Zudem werden diese Inhalte auch auf anderen Kommunikationskanälen produziert und geteilt, beispielsweise über Telegram, Line und Signal.

Hinzu kommt, dass sich die Protestierenden zwar hauptsächlich via Medien und anderen Kommunikationskanälen mobilisieren, diese Plattformen jedoch nicht mit der tatsächlichen Kommunikation, Koordinierung und Planung der Proteste zusammenhängen. In ihrer Organisationsstruktur, Informationsweitergabe, Zeiteinteilung und Organisation gehen die jungen Protestierenden dank der Nutzung sozialer Medien sehr taktisch vor. Die Proteste vom 14. Oktober an den Kreuzungen Ratchaprasong, Pathum Wan, Lat Phrao und Asok in Bangkok zeigen beispielsweise sehr gut, wie effizient die Studierenden ihre Aktionen organisieren, koordinieren und steuern. So wurden bis kurz vor der Aktion keine Informationen zu Uhrzeit und Ort der Proteste bekanntgeben, um die Sicherheitskräfte nicht im Vorfeld zu informieren. Die Proteste finden außerdem innerhalb eines bestimmten Zeitintervalls gleichzeitig an mehreren Orten statt. Die Aktionen vom 18. Oktober fanden an mehreren Orten in Bangkok und landesweit in 12 Provinzen statt. Die Leiter*innen lösen die Proteste dann rasch auf und demobilisieren die Menge, während die Sicherheitskräfte sich auf den Weg machen, um dadurch unnötige Zusammenstöße mit den Sicherheitskräften zu vermeiden.

Erneutes politisches Versagen

Der Premierminister Prayut Chan-o-cha, der im Mai 2014 durch einen Militärcoup an die Macht gelangte, ist in Thailand bekannt dafür, unabhängigen Medien gegenüber nicht wohlgesonnen zu sein. Die Entscheidung, die vier unabhängigen Medienorganisationen zu zensieren, als sich die Proteste gegen seine Regierung häuften, war erneut nur politisches Versagen und zeugt von einer Unfähigkeit, mit dem Infragestellen der Legitimität seiner Macht zurechtzukommen.

Dieses Vorgehen könnte die Unruhen weiter anfachen. Seit dem 13. Oktober gibt es täglich Proteste in Bangkok, hauptsächlich aufgrund kontinuierlicher Verhaftungen einiger Protestleiter*innen und der täglichen Einschüchterung und Schikane durch die thailändischen Behörden. An jedem Tag verhaftete die Polizei 21 Menschen, darunter auch den Protestleiter Jatuphat „Pai Dao Din“ Boonpattararaksa. Am darauffolgenden Tag mobilisierten sich tausende Studierende und marschierten zum Regierungsgebäude, um gegen die Regierung zu protestieren und die Freilassung ihres inhaftierten Kollegen zu fordern.

In den letzten drei Monaten kam es zu 246 Protesten in 62 Provinzen des Landes. Die Anzahl der durch die Regierung inhaftierten Personen kletterte direkt nach der Verkündung des Notstandsdekrets am 15. Oktober in die Höhe. Gemäß den Thai Lawyers for Human Rights (kurz: TLHR; in etwa: thailändische Anwält*innen für Menschenrechte) verhaftete die Regierung zwischen dem 13. und 18. Oktober in etwa 81 Personen. TLHR berichtet zudem, dass mindestens 65 Personen eine Anklage aufgrund ihrer Rolle in den Protesten drohe und dass 145 Fälle von vermeintlicher Belästigung durch die thailändischen Sicherheitskräfte bekannt sind. Es wirkt so, als würden die Proteste in ihrem Ausmaß größer werden, je mehr Protestierende von der Regierung verhaftet werden.

General Prayut ist mächtig, er kann versuchen, die aufkeimenden Samen zu zerstören. Er kann seiner Panzertruppe befehlen, den gesamten Garten zu zerstören – er ist aber wahrscheinlich nicht mächtig genug, den beginnenden Frühling aufzuhalten. Das Ende der Regierung von Prayut ist nicht mehr nur eine entfernte Möglichkeit.

Sek Sophal besitzt einen Masterabschluss in Asien-Pazifik-Studien der Ritsumeikan Asia Pacific University. Er ist Forscher am Center for Democracy Promotion (in etwa: Zentrum zur Demokratieförderung), Ritsumeikan Center for Asia Pacific Studies (in etwa: Zentrum für Asien-Pazifik-Studien) der Ritsumeikan Asia Pacific University. Zudem ist er als Projektverantwortlicher am Cambodian Center for Independent Media (CCIM, in etwa: kambodschanisches Zentrum für unabhängige Medien) tätig. Die in dem Artikel geäußerten Ansichten spiegeln seine persönliche Meinung wider und repräsentieren nicht zwingend die Meinung der Institution, für die er tätig ist.

Nach beispielloser Entscheidung in Peking tritt Hongkongs gesamte Oposition zurück

Alle pro-demokratischen Abgeordneten Hongkongs traten am 11. November aus Solidarität gegenüber vier Kollegen, die durch eine neue, von Peking erlassene Direktive disqualifiziert wurden, aus dem Legislativrat (Legislative Council, kurz LegCo) aus.

Die vom Ständigen Ausschuss des Nationalen Volkskongresses (NPCSC) verabschiedete Richtlinie erlaubt es Hongkongs Regierung, gewählte Abgeordnete zu entlassen, wenn diese „gegen den Treueeid“ der Besonderen Autonomen Region „verstoßen“.

Die Direktive nennt vier Verhaltensweisen, die „unpatriotisch“ sind und daher für einen Ausschluss aus dem Legislativrat gelten: die Förderung oder Unterstützung der Unabhängigkeit Hongkongs; die Weigerung, Chinas Souveränität über die Stadt anzuerkennen; die Aufforderung an ausländische Kräfte, sich in die inneren Angelegenheiten Hongkongs einzumischen und ein Verhalten zu demonstrieren, das die nationale Sicherheit gefährdet.

Nach Pekings Urteil kündigte Hongkongs Regierung die Disqualifizierung der pro-demokratischen Abgeordneten Dennis Kwok, Alvin Yeung, Kwok Ka-ki und Kenneth Leung an.

Diese beispiellose, autoritäre Entscheidung Pekings hat Hongkongs Opposition in der Legislative effektiv ausgelöscht.

Die staatliche chinesische Nachrichtenagentur Xinhua berichtete, dass die Richtlinie die Reaktion auf eine Anfrage von Hongkongs Regierungschefin Carrie Lam selbst verabschiedet wurde. Lam deutete unterdessen an, dass sie lediglich die Anweisungen Pekings befolge. Radio Television Hongkong berichtet:

Die Regierungschefin Carrie Lam deutet an, dass weitere Beamte aus dem Amt geworfen werden könnten, wobei Entscheidungen „zu gegebener Zeit“ getroffen werden. Sie sagte jedoch, dass Peking hinter den heutigen Legco-Disqualifikationen stehe und ihre Rolle nur darin bestehe, die Nachricht zu verkünden.

Lam schien auerdem mit dem Massenausstieg zufrieden zu sein. Alvin Lum, ein Reporter der unabhängigen Nachrichtenagentur Citizen News, hob eine der Bemerkungen der Regierungschefin bei der Pressekonferenz am Mittwoch hervor:

ZITAT DES TAGES- Carrie Lam: „Es gibt nichts, wofür man sich schämen müsste [wenn man einem Legco ohne Opposition gegenübersteht], es freut uns viel mehr, wenn Gesetze effizienter verabschiedet werden können“.

Auf einer anderen Pressekonferenz kündigte der Vorsitzende der Demokratischen Partei, Wu Chi-Wai, die kollektive Entscheidung aller pro-demokratischen Abgeordneten zum Rücktritt an:

It [the NPCSC’s directive] reflects that the central government has completely given up on the Basic Law and One Country, Two Systems… Democrats are facing a whole new set of circumstances. In view of our colleagues who were ousted today, all democrats decide to stand with them and resign en masse. The move will not frustrate us, as we know democracy will not be achieved overnight. The road to democracy is especially long when confronting an authoritarian regime. But we will not be defeated by pressure and oppression. We will find a new way.

Diese [Direktive des NPCSC] spiegelt wider, dass die Zentralregierung unser Grundgesetz und das Ein-Land-Zwei-Systeme vollständig aufgegeben hat … Die Demokraten sehen sich mit einer ganzen Reihe neuer Umstände konfrontiert. Angesichts unserer Kollegen, die heute abgesetzt wurden, beschließen alle Demokraten, zu ihnen zu stehen und geschlossen zurückzutreten. Dieser Schritt wird uns nicht frustrieren, denn wir wissen, dass Demokratie nicht über Nacht erreicht werden kann. Der Weg zur Demokratie ist besonders lang, wenn man einem autoritären Regime gegenübersteht. Aber wir werden uns nicht durch Druck und Unterdrückung besiegen lassen. Wir werden einen neuen Weg finden.

Die unabhängige Journalistin Erza Cheung teilte den historischen Moment auf Twitter mit:

Es ist wahrscheinlich das letzte Mal, dass Persönlichkeiten der Hongkonger Demokratie vor der Legislative der Stadt sprechen, da man erwartet, dass sie kollektiv zurücktreten werden. In dieser historischen Zeit wurde der Saal von Journalisten überflutet, die versuchen, den letzten Aufenthalt der Abgeordneten festzuhalten.

Benedict Rogers, der Gründer der in London ansässigen Interessenvertretung Hong Kong Watch, sagte, Peking habe die Legislative in Hongkong wie seinen Nationalen Volkskongress in einen Stempel umgewandelt:

Einfach absolut ungeheuerlich

Das Regime der Kommunistischen Partei Chinas verwandelt #HongKongs LegCo in eine lokale Version des Nationalen Volkskongresses – nichts weiter als ein Stempel mit handverlesenen Zombies

Abscheulich schrecklich

Sophie Richardson, China-Direktorin von Human Rights Watch, teilte eine ähnliche Ansicht:

Und mit diesem Schritt wird #Hongkong #LegCo gezwungen, #China #NPC [Anm. Nationaler Volkskongress] ähnlicher zu werden. Peking bewegt sich eindeutig darauf zu, nur das LegCo zu schaffen, das es will und mit anderen Mitteln nicht erreichen konnte.

Der Aktivist Joshua Wong, der zusammen mit 11 Kollegen bei den Bezirksratswahlen im November nicht kandidieren durfte, sagte, dass die neue Richtlinie pro-demokratische Kandidatinnen und Kandidaten daran hindern könnte, bei künftigen Wahlen anzutreten:

Da man Kandidaten, darunter auch mich, beschuldigte, mit erfundenen Anschuldigungen „die Einmischung einer ausländischen Regierung zu fördern“, wurden vier Abgeordnete von der Wahl im Juli ausgeschlossen. Sie sind jetzt aus dem gleichen Grund abgesetzt worden.

Das Hong Kong Democracy Council (etwa: Hongkonger Demokratierabezeichnete die Richtlinie und die anschließende Disqualifizierung als ein „Todesurteil“ für das politische System Hongkongs:

JETZT: Heute verhängten die #NPCSC und die Regierungschefin der SAR Hongkong das Todesurteil gegen das #LegCo und das politische System Hongkongs.

Durch das Verbot legaler gesetzgeberischer Taktiken wie Filibuster und Quorum Calls entzieht die CCP Hongkongs politischem System den allerletzten Fetzen seiner Legitimität.

Die unabhängige Journalistin Mary Hui sieht in diesem Schritt die vollständige Übernahme der Legislative Hongkongs durch Peking:

China hat nun seine Übernahme der Legislative Hongkongs abgeschlossen

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Eine Hongkonger Reporterin berichtet über hartes Vorgehen gegen die Pressefreiheit im Rahmen des nationalen Sicherheitsgesetzes

Dies ist der letzte Teil eines Berichtes, der ursprünglich in chinesischer Sprache in The Stand News veröffentlicht wurde. Er wurde von Global Voices ins Englische übersetzt und wird hier mit Genehmigung in fünf Teilen veröffentlicht. Lesen Sie hier die Teile eins, zwei, drei  und vier.

Nach der Verabschiedung des Gesetzes zur nationalen Sicherheit wird die Redefreiheit in der Stadt Hongkong stark eingeschränkt.

Viele ausländische Journalistinnen und Journalisten haben Berichten zufolge ihre Arbeitsvisa nicht verlängert, die pro-demokratische Zeitung Apple Daily wurde überfallen und ihr Gründer Jimmy Lai verhaftet, der der Kollaboration mit ausländischen Kräften beschuldigt wurde.

Das jüngste Drama betrifft die Verhaftung von Choy Yuk-ling, einer Journalistin, die für den öffentlichen Sender der Stadt, Radio Television Hong Kong, gearbeitet hatte. Am 02. November verhaftete die Polizei Choy im Zusammenhang mit der Untersuchung der Yuen Long Mob-Angriffe. Der Vorfall ereignete sich am 21. Juli 2019, als ein pekingfreundlicher Mob Protestierende angriff, die in der U-Bahn-Station Yuen Long nach Hause zurückkehrten. Die Polizei behauptete, die Reporterin habe gegen die Straßen- und Verkehrsverordnung verstoßen, weil sie bei ihren Nachforschungen über die Einzelheiten eines an dem Angriff beteiligten Fahrzeugs eine Falschaussage gemacht habe.

Alles deutet darauf hin, dass die Arbeit im Bereich des Journalismus zu einem gefährlichen Unterfangen geworden ist.

Im Mai 2019 kündigte Peking seinen Plan an, das drakonische Gesetz zur nationalen Sicherheit in Hongkong in Kraft zu setzen. Da der Begriff „nationale Sicherheit“ so vage definiert ist, könnte eine kritische Rede so interpretiert werden, dass sie Hass gegen die Behörden provoziert. Dies hat zu einem Dämpfungseffekt geführt, der über die Stadt hinwegfegte.

Eine Reihe prominenter Kolumnistinnen bzw. Kolumnisten, darunter die Finanzexperten Simon Lee und Michael Suen von Apple Daily News, beendeten ihre Kolummnen in den Zeitungen, mehrere einflussreiche öffentliche Facebook-Seiten wurden von ihren Administratorinnen bzw. Administratoren gelöscht – darunter eine, die vom ehemaligen Staatssekretär für den öffentlichen Dienst Joseph Wong betrieben wurde – eine Reihe von Websites verschwanden, und viele Nutzerinnen und Nutzer sozialer Medien löschten ihre Benutzerkonten.

Das Risiko, sich unter dem eigenen Klarnamen zu äußern, wird immer größer.

Leung Ka Lai, eine Journalistin, die für Apple Daily arbeitet, interviewte die Demonstrierende und schrieb Reportagen über die antichinesischen Auslieferungsproteste.

Am 10. August, dem Tag, an dem Jimmy Lai verhaftet wurde und das Büro von Apple Daily von etwa 200 Polizeibeamtinnen und -beamten durchsucht wurde, war sie schockiert. Doch irgendwie hatte sie dies vorausgesehen, denn sie hatte bereits im Juli alle Angaben und Notizen der Befragten aus ihrem Büro entfernt und alle Chat-Aufzeichnungen von ihrem Mobiltelefon gelöscht.

Sie löschte auch eine öffentliche Seite auf Facebook, die sie am 31. August 2019 nach einem großen stadtweiten Anti-China-Auslieferungsprotest eröffnet hatte. Diese Seite benutzte sie, um Videos, die sie aufgenommen hatte, und einige ihrer journalistischen Notizen mit anderen zu teilen. Eines ihrer Videos, das Polizeibeamte zeigt, die am 11. November 2019 in einer Kirche in Sai Wan Ho junge Demonstrierende verprügelten, wurde von zwei Millionen Menschen gesehen. Durch die Seite erhielt sie auch eine  große Anzahl von Tipps. Gleichzeitig wurde sie auch online belästigt und ihre persönlichen Daten wurden im Internet veröffentlicht.

Ihr Hauptanliegen ist es, das Durchsickern von Informationen über ihre Quellen zu verhindern:

I don’t worry about myself. The safety of my interviewees is more important than mine and I don’t want to risk the exposure of their details.

Ich mache mir keine Sorgen um mich selbst. Die Sicherheit meiner Interviewpartner ist wichtiger als meine, und ich möchte nicht riskieren, dass Informationen über sie preisgegeben werden.

Sie befürchtete, sie würde eventuell verhaftet werden, weil sie Journalistin ist. Als sie in diesem Jahr am 12. Juni über den Jahrestag der Proteste berichtete, wurde sie in einem Polizeikessel gefangen. Die Bereitschaftspolizei nahm ihr ihren Rucksack ab und griff nach ihrem Telefon, während sie per Live-Streaming auf Sendung war. Sie wurde durchsucht und 45 Minuten lang festgehalten.

Apple Daily hatte früher in jedem seiner Berichte eine Reporter-Byline. Diese Praxis ist seit dem 01. Juli, als das nationale Sicherheitsgsetz in Kraft trat, ausgesetzt worden. Die beunruhigendste Tatsache in Bezug auf das Gesetz zur nationalen Sicherheit ist, wie der Rechtsberater der Zeitung hervorhob, dass die Auslegung des Gesetzes in Pekings Händen liegt.

Leung ist seit etwa 15 Jahren als Journalistin tätig. Sie glaubt, das Ziel der Polizeirazzia bestand darin, Angst zu schüren.

Am 27. August, etwa zwei Wochen nach der Razzia, erklärte die chinesische, staatlich finanzierte Zeitung People’s Daily, dass Apple Daily eine gefährliche „politische Organisation“ sei. Solche politischen Etiketten könnten dazu führen, dass die Medien gemäß dem drakonischen Gesetz geschlossen werden.

Das harte Vorgehen gegen Apple Daily wurde auch auf seine Anhängerinnen und Anhänger ausgeweitet. Während der Razzia brachten viele Netizens ihre Unterstützung für die Zeitung zum Ausdruck, indem sie Aktien der Muttergesellschaft Next Media Group kauften, was zu einem raketenhaften Anstieg des Aktienkurses führte. Zwei Wochen später, am 10. September, verhaftete die Polizei 15 Aktienkäuferinnen bzw. -käufer mit dem Vorwurf der „Verschwörung zum Betrug“ und „Geldwäsche“. In der Vergangenheit wurden abnormale Vorgänge auf dem Aktienmarkt von Hongkongs Börse und der Securities and Futures Commission untersucht.

Leung befürchtet, dass Medien, die nicht loyal zu Peking stehen, verboten werden könnten:

The space for free press is diminishing… I fear that very soon we will be forced to leave the industry, or they will shut down Apple Daily. If you want to remain a journalist, you have to work for pro-establishment media outlets such as Wen Wei Po or Ta Kung Pao.

The situation is extremely scary. But I will continue to stay in the industry until there is no more space. I am prepared to work as a freelance journalist. What we are facing now is not just the survival of Apple Daily but the whole independent media sector.

Der Raum für die freie Presse wird immer enger … Ich befürchte, dass wir sehr bald gezwungen sein werden, die Branche zu verlassen, oder sie werden Apple Daily schließen. Wenn man Journalist bleiben will, muss man für Pro-Peking Medien wie Wen Wei Po oder Ta Kung Pao arbeiten.

Die Situation ist äußerst beängstigend. Aber ich werde so lange in der Branche bleiben, bis es keinen Platz mehr gibt. Ich bin bereit, als freiberufliche Journalistin weiter zu arbeiten. Was wir jetzt vor uns haben, ist nicht nur das Überleben von Apple Daily, sondern des gesamten unabhängigen Mediensektors.

Sie möchte ihre journalistische Karriere fortsetzen und die Wahrheit bewahren:

We have to prevent the scenario that after 30 years, people would say that June 4 had never taken place. We have to carry on with our work until there is no more space.

Wir müssen verhindern, dass die Menschen in 30 Jahren sagen werden, der 04. Juni habe nie stattgefunden. Wir müssen unsere Arbeit so lange fortsetzen, bis es keinen Platz mehr gibt.

Hongkong friert Bankkonten von politischen Dissident*innen ein

Hongkongs kürzlich erlassenes nationales Sicherheitsgesetz hat die Sicherheitspolizei ermächtigt, während einer Untersuchung die Bankkonten von Verdächtigen einzufrieren, was das Vertrauen der Öffentlichkeit in das Bankensystem untergraben hat.

In den vergangenen Monaten gab es mehrere Fälle, die darauf hinweisen, dass das Bankensystem von der nationalen Sicherheitspolizei als Waffe benutzt wird, um gegen Aktivist*innen und pro-demokratische Nichtregierungsorganisationen (NGO) vorzugehen.

Der umstrittenste Fall betrifft das Einfrieren der Bankkonten des im Exil lebenden Hongkonger Abgeordneten Ted Hui und seiner Angehörigen.

Hui, ein ehemaliger pro-demokratischer Abgeordneter, gab seinen Exilstatus während eines Besuchs in Dänemark anlässlich einer Konferenz am 03. Dezember bekannt, nachdem auch seine Familie Hongkong verlassen hatte. Zwei Tage später, am 05. Dezember, sagte Hui, dass sein Bankkonto und das von mindestens fünf seiner Familienmitglieder ohne Erklärung von mehreren Banken, darunter der HSBC, eingefroren worden seien.

Die HSBC hat die Konten von Ted, dem im Exil lebenden ehemaligen Abgeordneten, und seinen Familienmitgliedern eingefroren. HSBC erleichtert die politische Verfolgung der KPC [Kommunistische Partei Chinas], die politische Dissident*innen und – schockierenderweise – ihre Familien gefährdet. Die britische Regierung sollte handeln und keine Toleranz gegenüber Absprachen mit einer Autokratie zeigen.

Die Aktionen des Bankengiganten lösten einen öffentlichen Aufruhr aus, denn es war nicht bekannt, dass Mitglieder von Huis Familie gegen irgendein nationales Sicherheitsgesetz verstoßen hatten. Kritische Stimmen sagten, die Banken hätten aus politischen, nicht aus rechtlichen Gründen gehandelt. Die Bank gab die Konten von Huis Familie am nächsten Tag kurzzeitig frei, um sie am 07. Dezember wieder einzufrieren, nachdem die Hongkonger Polizei eine öffentliche Erklärung herausgegeben hatte, in der sie Hui beschuldigte, mit ausländischen Mächten konspiriert und die Bankkonten seiner Familie für Geldwäsche benutzt zu haben.

Der unabhängige Journalist Timothy McLaughlin fasste die Vorwürfe der Hongkonger Polizei gegen Hui wie folgt zusammen:

Li behauptete, dass die Aufrufe einiger Leute, um für die Unterstützung von der internationalen Gemeinschaft zu werben, Handlungen der Kollaboration mit ausländischen Mächten sind, die gemäß des nationalen Sicherheitsgesetzes, das am 30. Juni von Peking über Hongkong verhängt wurde, ein Verbrechen darstellen.

Ted Hui wurde ursprünglich wegen neun Vergehen angeklagt, die die Störung von Sitzungen des Legislativrats, die Teilnahme an unrechtmäßigen Protesten und das Löschen von Fotos von den Mobiltelefonen von Mitarbeitenden des Legislativrats betrafen. Keine dieser Anklagen wurde mit den im Gesetz über die nationale Sicherheit aufgeführten Straftaten und der Geldwäsche in Verbindung gebracht, bis Hui seinen Exilstatus bekannt gab.

Die neuen Anschuldigungen der Polizei wiesen auf die Finanzierung einer Massenkampagne hin, mit der Geld für eine Klage gegen einen Taxifahrer gesammelt werden sollte, der in eine Protestmenge gefahren war, sowie gegen einen Polizeibeamten, der während der letztjährigen Anti-Auslieferungs-Proteste aus nächster Nähe auf einen Protestierenden geschossen hatte. Die Kampagne zur Finanzierung der Massenkampagne wurde in Wirklichkeit von einer Anwaltskanzlei durchgeführt, die keine Verbindung zu Hui oder Mitgliedern seiner Familie hat. Hui kritisierte lediglich die Polizei auf Facebook:

This is clearly the regime’s attempt to take political revenge via economic oppression, and to use collective punishment to oppress my family to persecute dissenting voices.

Dies ist eindeutig der Versuch des Regimes, durch wirtschaftliche Unterdrückung politische Rache zu nehmen, meine Familie mit Kollektivstrafen zu unterdrücken und, um andersdenkende Stimmen zu verfolgen

Im Rahmen der nationalen Sicherheit ist die Sicherheitspolizei jedoch befugt, Bankkonten während einer Untersuchung ohne Gerichtsbeschluss einzufrieren, und es gibt keine Möglichkeit, dass betroffene Personen gegen solche Maßnahmen Einspruch einlegen können.

Trotz der öffentlichen Besorgnis über diese willkürliche Machtausübung der nationalen Sicherheitspolizei verweigert Hongkongs Regierung eine Antwort auf die Frage, ob die Macht der Polizei, die Sperrung von Bankkonten zu verlangen, das öffentliche Vertrauen in Hongkongs Bankensystem, einem globalen Finanzzentrum, untergraben würde.

Der neueste Fall betrifft die Sperrung von Bankkonten, die der Good Neighbour North District Church (etwa: Kirche der Guten Nachbarschaft des Norddistrikts) gehören, sowie von persönlichen Konten des Pastors der Kirche, Roy Chan, und seiner Frau. Karen Tse twitterte diese Nachricht:

The HSBC bank account of the Good Neighbour North District Church was frozen without any prior notification nor justification provided. Personal accounts of Pastor Roy Chan and his wife have also been frozen. Roy Chan is the organiser of Protect the Children group.

Das HSBC-Bankkonto der Good Neighbour North District Church wurde ohne vorherige Benachrichtigung und ohne Angabe von Gründen eingefroren. Die persönlichen Konten von Pastor Roy Chan und seiner Frau wurden ebenfalls eingefroren. Roy Chan ist der Organisator der Gruppe Protect the Children [Schützt die Kinder]. Photo: FB/NYT pic.twitter.com/V9yx03RmIt

Die Kirche wurde 2014 gegründet und erhielt 2016 den Status der Gemeinnützigkeit. Seit ihrer Gründung hat sie Obdachlosen Unterkünfte zur Verfügung gestellt. Die Kirche hat die Sperrung des einzigen Kontos der Kirche als „einen Akt der politischen Vergeltung“ bezeichnet:

This is no doubt an act of political retaliation. In the past year, our group “Safeguard Our Generation” mainly comprised of middle-aged and elderly volunteers was determined to offer humanitarian aid to protestors at the frontline…

Dies ist zweifellos ein Akt der politischen Vergeltung. Im vergangenen Jahr hatte unsere Gruppe „Safeguard Our Generation“ [Schützt unsere Generation], die hauptsächlich aus Freiwilligen mittleren Alters und älteren Menschen besteht, beschlossen, den Demonstrierenden an der Frontlinie humanitäre Hilfe zu leisten …

Die Kirche drängte HSBC, ihr einziges Bankkonto freizugeben, da dies sonst zur sofortigen Beendigung ihrer Hilfeleistungen für die Obdachlosen führen würde.

In den sozialen Medien Hongkongs mehrten sich die Stimmen, die mit dem Hashtag #boycottHSBC ihr Misstrauen gegenüber dem Konzernriesen zum Ausdruck bringen wollten.

Wenn die Gier nach Geld die menschlichen Grundwerte überwältigt

Thomas Rohden
@ThomasRohden
– ·
5. Dezember
Ungeheuerlich! Die KPCh [Kommunisische Partei Chinas] hat nicht nur die Bankkonten von Ted Hui eingefroren, sondern auch die seiner Familie. Es gibt absolut keine rechtliche Grundlage für diesen Diebstahl ihrer Ersparnisse.

Let’s trend

#boycottHSBC #sanctionHSBC
Arne Melsom 🇳🇴🇭🇰 (@melsom62) December 5, 2020

Weiter verbreiten

Im August fror HSBC die persönlichen Bankkonten von Jimmy Lai, dem Gründer von Apple Daily, und anderen Top-Managern der Muttergesellschaft der populären Zeitung, Next Digital, ein, nachdem diese wegen nationaler Sicherheit, Betrugs und anderer angeblicher Straftaten verhaftet worden waren.

Im Juni 2020, vor der Verabschiedung des Gesetzes zur nationalen Sicherheit, gab die Hong Kong Association of Banks eine Erklärung zur Unterstützung der Gesetzgebung ab und behauptete, dass dieses Gesetz ein stabiles Geschäftsumfeld fördern würde. Die globalen Bankenriesen HSBC und Standard Charter folgten diesem Beispiel und gaben ihre eigenen Unterstützungserklärungen ab.

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Hongkonger Aktivist*innen Joshua Wong, Agnes Chow und Ivan Lam zu Gefängnisstrafen verurteilt

Nathan Law 羅冠聰

1. Es ist niederschmetternd zu sehen, wie drei meiner ehemaligen Kolleg*innen, Joshua, Agnes und Ivan, ins Gefängnis kommen. Die Verurteilung ist absurd. Bitte diesen Tweet verbreiten, wenn Du die gleichen Forderungen hast:

1. sofortige Freilassung des Trios

2. die Strafverfolgung nach dem Gesetz zur nationalen Sicherheit einstellen

3. Sanktionierung von rechenschaftspflichtigen Regierungsvertretenden

Der 03. Dezember ist der Geburtstag von #AgnesChow sie ist in diesen Tagen während der Haft krank und sie hat nicht die Möglichkeit, nach Hause zu gehen und ihren 24. Geburtstag mit ihrer Familie zu feiern jetzt😭

[Übersetzung des Zitats von Agnes Chow]: “Der 03. Dezember ist eigentlich mein Geburtstag – es ist mein 24. Geburtstag und mein einziger Wunsch ist, dass ich nach [der Rückmeldung bei der Polizei] am 02. Dezember wieder nach Hause gehen und meinen Geburtstag zu Hause feiern kann”.

Agnes Chow verbringt ihre erste Nacht im Gefängnis, wegen des „Verbrechens“, während eines Protests gegen Polizeibrutalität vor einer Polizeistation zu stehen.

Etwas ist schmerzhaft traurig daran, dass die Twitter-Ballons zu ihrem 24. Geburtstag über dem Tweet schwebten, in dem ihre 10-monatige Haftstrafe angekündigt wurde

Der im Exil lebende Hongkonger Aktivist Nathan Law plädierte für internationale Solidarität mit seinen drei Freunden und drängte Washington, den Druck auf China in Bezug auf Hongkong aufrechtzuerhalten:

3. Für Joshua und Ivan ist es nicht das erste Mal, dass sie eine Zelle betreten. Aber das Strafmaß ist länger als alle vorherigen. Joshua 13 1/2 Monate, Ivan 7 Monate, Agnes 10 Monate. Außerdem kann Peking sie nach dem Gesetz über die nationale Sicherheit auch wegen ihrer Reden strafrechtlich verfolgen und dann werden Gedanken zu Verbrechen.

4. Die Strafen könnten sich anhäufen. Um ehrlich zu sein, ich habe keine Ahnung, wann das Trio aus dem Gefängnis kommen könnte, wenn Peking darauf besteht, sie rücksichtslos so hart wie möglich zu bestrafen. Bitte unterstützen und ermutigen Sie sie, um sie daran zu erinnern, dass sie nicht allein sind.
-ENDE

Washington muss eine China-Politik entwickeln, die die Menschenrechte in den Mittelpunkt stellt, ohne jedoch auch die dringende Notwendigkeit des Umweltschutzes, der stärkeren Achtung der Arbeitnehmendenrechte und des fairen Handels zu vernachlässigen.

Herr Biden, halten Sie bitte den Druck auf Hongkong aufrecht

Die Inter-Parliamentary Alliance on China (IPAC), eine parteiübergreifende Gruppe von Abgeordneten vor allem aus europäischen und nordamerikanischen Ländern, die sich auf die Beziehungen zu China konzentriert, verurteilte das Urteil in einer Erklärung:

BREAKING: #IPAC-Erklärung zur Verurteilung von Joshua Wong, Agnes Chow und Ivan Lam.

Wir bewundern den Mut und die Entschlossenheit, die die drei verurteilten Personen gezeigt haben, und bieten der gesamten Bevölkerung Hongkongs in dieser dunklen Zeit unsere Solidarität an.

The punishments given are illegitimate and wholly disproportionate with the actions that the Hong Kong authorities claim to be crimes.
This sentence has made a mockery of the rule of law in the city and demonstrates the continued determination of the Chinese government to deny Hong Kong citizens the fundamental freedoms promised to them in the hong Kong Basic Law and Sino-British Joint Declaration. […]

Die verhängten Strafen sind unrechtmäßig und völlig unverhältnismäßig im Vergleich zu den Handlungen, die die Behörden in Hongkong als Verbrechen bezeichnen.
Dieses Urteil hat die Rechtsstaatlichkeit in der Stadt zum Gespött gemacht und zeigt die anhaltende Entschlossenheit der chinesischen Regierung, den Bürger*innen Hongkongs die ihnen im Grundgesetz von Hongkong und in der chinesisch-britischen Gemeinsamen Erklärung versprochenen Grundfreiheiten zu verweigern. […]

Der Außenminister des Vereinigten Königreichs, Dominic Raab, forderte Peking auf, das harte Durchgreifen gegen den politischen Dissens in Hongkong einzustellen:

Während 3 Aktivist*innen in Hongkong ihre Haftstrafe antreten, fordere ich die Behörden in Hongkong und Peking dringend auf, ihre Kampagne zur Unterdrückung der Opposition zu beenden.

Die Entscheidungen der Staatsanwaltschaft müssen fair und unparteiisch sein. Rechte und Freiheiten in Hongkong müssen gewahrt werden.

Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen lobte die drei jungen Aktivist*innen für ihren Mut:

Ich bin betrübt über die Nachricht, dass @joshuawongcf, @chowtingagnes & Ivan Lam wegen ihres Aktivismus ins Gefängnis gekommen sind. Diese mutigen jungen Menschen sind Symbole für Freiheit und Demokratie in #HongKong, Werte, für die wir niemals aufhören werden zu kämpfen.

Der Ausschuss für auswärtige Beziehungen des US-Senats bezeichnete das Urteil als „verabscheuungswürdig:“

Die heutige Verurteilung von Joshua Wong, Agnes Chow und Ivan Lam in #HongKong wegen Unterstützung pro-demokratischer Proteste ist verabscheuungswürdig. Ich hatte das Vergnügen, Joshua im September 2019 in DC zu treffen und werde weiterhin die Bestrebungen der Menschen in Hongkong unterstützen.

Die Nachrichtenagentur AFP twitterte eine detaillierte Illustration, die die Eskalation des harten Vorgehens Hongkongs gegen abweichende Meinungen zeigt:

Hongkong geht hart gegen abweichende Meinungen vor, von der Verabschiedung des Gesetzes zur nationalen Sicherheit Ende Juni bis zur Inhaftierung von Joshua Wong, Agnes Chow und Ivan Lam am 02. Dezember

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Menschenrechtsgruppen in Tunesien gehen gegen geplantes Polizeischutzgesetz auf die Straße

In der Stadt Bardo brachen Proteste gegen das tunesische Parlament aus, während dieses einen umstrittenen Gesetzentwurf zum Schutz von Polizeibeamten prüfte. Menschenrechtsaktivisten und die Jugendbewegung Hasebhom („Zieh sie zur Verantwortung“) demonstrierten am 6. und 8. Oktober vor dem Parlament gegen das Gesetz, das, sollte es angenommen werden, Sicherheitskräfte vor einer Strafverfolgung schützt, wenn sie unangemessene tödliche Gewalt anwenden.

Die Entscheidung des Parlaments nur wenige Wochen vor dem zehnten Jahrestag der Revolution, die die Herrschaft des Diktators Ben Ali beendet hatte, eine Plenarsitzung abzuhalten, um über den Gesetzentwurf zu verhandeln, erntete Kritik von Menschenrechtsgruppen und Aktivist*innen. Diese kämpfen bereits gegen den Gesetzesvorschlag, seit er 2015 ins Parlament eingebracht wurde.

Als Resultat sind die Aktivist*innen online sowie offline zur Zielscheibe der Polizei geworden. Diese Angriffe auf die Demonstrations- und Meinungsfreiheit sind beunruhigend. Außerdem bestätigen sie die Sorge der Menschenrechtsorganisationen, dass schwerwiegende Rechtsbrüche und anhaltende Lücken im Rechtsschutz den Fortschritt bedrohen könnten, den Tunesien beim Schutz der Menschenrechte seit der Revolution von 2011 gemacht hat.

Das Parlament kündigte am 8. Oktober an, die Verhandlung über den Gesetzentwurf aufzuschieben, während Aktivist*innen weiterhin fordern, ihn komplett zu kippen.

„Eine Bedrohung“ für Rechte und Freiheiten

Die letzte Fassung der Gesetzesvorlage Nr. 25 des Jahres 2015 über die gerichtliche Verfolgung von Übergriffen gegen Streitkräfte enthält einige Verbesserungen gegenüber der ursprünglichen Fassung, die dem Parlament am 13. April 2015 vorgelegt worden war. So sah die vorherige Fassung beispielsweise Strafen für sogenannte „verunglimpfende“ Äußerungen gegenüber der Polizei vor.

Die in der neueren Fassung vorgenommenen Nachbesserungen zerstreuen jedoch keineswegs die Befürchtungen der Menschenrechtsorganisationen.

Am 6. Oktober unterzeichneten mehr als 20 zivilgesellschaftliche Organisationen eine gemeinsame Erklärung und riefen eine Initiative mit dem Titel „Ein beunruhigender Start ins parlamentarische Sitzungsjahr“ ins Leben. Darin fordern sie das Parlament auf, den Entwurf für das Polizeischutzgesetz sowie weitere menschenrechtlich bedenkliche Gesetzentwürfe abzulehnen, darunter den Entwurf für ein Notstandsgesetz und Gesetzentwürfe zur Abänderung des Erlasses, der die Medienausstrahlung regelt. Laut der Erklärung stellt der Entwurf für das Polizeischutzgesetz „trotz der darin vorgenommenen Änderungen nach wie vor eine Gefahr für die Rechte und Freiheiten aller Bürgerinnen und Bürger dar“.

Das Gesetz verstößt gegen Artikel 21 der tunesischen Verfassung von 2014, demzufolge „alle Bürgerinnen und Bürger ohne Unterschied vor dem Gesetz gleich sind.“ Artikel 7 des Gesetzes, der Sicherheitskräfte vor einer Strafverfolgung schützt, wenn sie unverhältnismäßige und unnötige tödliche Gewalt gegen Bürger*innen in Situationen anwenden, die als „gefährlich“ beurteilt werden, verstößt zudem gegen die von Tunesien ratifizierten internationalen Abkommen, insbesondere im Hinblick auf die Wahrung des Rechts auf Leben und die Bekämpfung der Straflosigkeit.

In einer Verlautbarung von Amnesty International erklärte Emna Guellali, stellvertretende Direktorin für den Nahen Osten und Nordafrika:

Time and time again, Tunisian and international civil society organizations have fought against this bill, warning of the detrimental impact it would have on the rule of law. If adopted, this draft law would reinforce the culture of impunity and send an alarming message to the security forces that they have the green light to use force as they see fit without worrying about being held accountable.

Zivilgesellschaftliche Organisationen in Tunesien haben immer wieder gegen dieses Gesetz angekämpft und vor den schädlichen Auswirkungen gewarnt, die es auf den Rechtsstaat haben würde. Sollte es beschlossen werden, würde dieses Gesetz die Kultur des ungestraften Davonkommens weiter verfestigen und den Sicherheitskräften ein gefährliches Signal senden, dass sie Gewalt anwenden können, wann immer sie es für richtig halten, ohne Angst haben zu müssen, dafür zur Verantwortung gezogen zu werden.

Die Polizeiverbände berufen sich auf die erhöhte Terrorgefahr in Tunesien nach der Revolution und üben so Druck auf das Parlament aus, damit dieses den Gesetzentwurf annimmt. Allerdings gibt es bereits zahlreiche Gesetze und Verordnungen, die die Arbeit der Sicherheitskräfte regeln und schützen sollen und die kriminelle Handlungen gegen die Sicherheitskräfte hart bestrafen.

Demonstrierende und Aktivisten im Visier

Bei der Protestaktion am 6. Oktober hielten die Demonstrierenden Transparente und Schilder in die Höhe, mit denen sie gegen Gewalt durch Polizeiangehörige und deren ungestraftes Davonkommen protestierten. An der Demonstration beteiligten sich außerdem Angehörige der LGBTQI+-Community, um Polizeigewalt gegen LGBTQI+-Personen anzuprangern.

Bürgerjournalisten und das lokale Medium Nawaat veröffentlichten Aufnahmen und Augenzeugenberichte, die die Polizei schwer belasten und sie dabei zeigen, wie sie mit körperlicher Gewalt gegen Demonstrierende vorgeht. Außerdem wurden vier Demonstrierende drei Stunden lang in der Polizeidienststelle von Bardo festgehalten, ohne Kontakt zu einem Anwalt aufnehmen zu können, was laut der tunesischen Verfassung eine schwerwiegende Verletzung ihrer Rechte darstellt. Auch einige Abgeordnete, die sich den Demonstrierenden angeschlossen hatten, wurden angegriffen, unter ihnen Yassine Ayari, der in einer lokalen Radiosendung von der Attacke berichtete.

Global Voices hat mit einer Aktivistin, Asrar Ben Jouira, gesprochen. Sie koordiniert die Initiative Hasebhom und ist Mitglied des Tunesischen Bündnisses für Menschenrechte. Ben Jouira berichtet, sie sei Übergriffen ausgesetzt gewesen und habe verbale und körperliche Gewalt durch Polizisten, sowohl uniformiert als auch in Zivilkleidung getarnt, beobachtet. Ein Polizist habe sie überdies sexuell belästigt und an der Brust berührt. Anderen Demonstrantinnen habe er an den Hintern gefasst und sie verbal belästigt. Weiter berichtet sie, dass Polizisten ihre privaten Handys benutzt hätten, um sie und die anderen zu filmen, obwohl Polizeitechniker mit professionellen Kameras vor Ort waren.

Als sie erfahren habe, dass zwei Aktivistinnen festgenommen worden waren, sei sie zum Polizeirevier von Bardo gegangen, um sicherzustellen, dass es ihnen gut ging und sie anwaltlichen Beistand hatten. Ein Polizist habe sie ins Innere des Reviers geführt und ihr suggeriert, sie könne die beiden sehen. Doch dann habe er die Tür hinter ihr abgeschlossen und ihr mitgeteilt, sie sei ebenfalls festgenommen, man werfe ihr „aufrührerische Handlungen“ vor. Sie sei auf einem der während der Proteste aufgezeichneten Videos zu sehen.

Ein anderer Polizist habe ihr einen Post auf der Facebook-Seite von Hasebhom gezeigt, in dem der Gesetzentwurf vom Hocharabischen in den tunesischen Dialekt übersetzt worden war, und zu ihr gesagt: „Wir wissen, dass du das warst.“

Asrar und die anderen Aktivistinnen kamen erst frei, als sich mehrere Abgeordnete einschalteten.

Angriffe auf Aktivisten wegen ihrer Meinungen im Internet

Am sechsten Oktober organisierten Al Bawsala und andere zivilgesellschaftliche Gruppen einen Livestream auf Facebook, um die Gesetzentwürfe anzuprangern, die eine Bedrohung für die Menschenrechte darstellen. Yosra Frawes, Vorsitzende des Tunesischen Vereins demokratischer Frauen (ATFD), kritisierte die Polizeiverbände wegen „illegaler Praktiken“ wie der „Organisation systematischer Kampagnen zum Schikanieren von Bürgerinnen und Bürgern in den sozialen Netzwerken sowie Hassrede gegen Gender-Identität.“

Die Aktivistin Myriam Bribri erhielt am 7. Oktober eine polizeiliche Vorladung aufgrund ihrer Posts, in denen sie den Gesetzentwurf kritisiert hatte. Später warf die Staatsanwaltschaft ihr „Beleidigung anderer über soziale Medien“ vor. Sie wurde vorläufig freigelassen und wartet nun auf ihren Prozess am 14. Dezember. Zusätzlich wurde sie in den sozialen Medien attackiert. Das tunesische Forum für wirtschaftliche und soziale Rechte (FTDES) bekundete seine Solidarität mit der Aktivistin in einer Erklärung, in der es heißt:

This summons comes after she was systematically harassed whether through her page on social media or threatening phone calls coming from personal and administrative phone numbers of police union members.

Diese Vorladung erreicht sie nach anhaltenden Schikanen über ihre Seite in den sozialen Medien und durch Drohanrufe von privaten und dienstlichen Telefonnummern von Mitgliedern des Polizeiverbands.

Amtsmissbrauch durch Polizei und Sicherheitskräfte ist noch immer ein ernstes Problem in Tunesien, da das Land sich seit November 2015 dauerhaft im Ausnahmezustand befindet. Die Zeit war seither geprägt von der strafrechtlichen Verfolgung friedlicher Äußerungen sowohl online als auch offline, von Angriffen auf Journalistinnen und Journalisten, von willkürlichen polizeilichen Festnahmen und von zahlreichen Fällen von Polizeibrutalität und Folter.

Als Hasebhom am 8. Oktober die zweite Protestaktion durchführte, brach das Parlament seine Sitzung ab, ohne über den Gesetzentwurf zu verhandeln, und verschob die Entscheidung, wie schon im Jahr 2017, auf unbestimmte Zeit.

Die Aktivistinnen und Aktivisten feierten diesen kleinen Triumph. Doch zur Ruhe werden sie erst kommen, wenn das Gesetz gänzlich zurückgezogen oder abgelehnt worden ist. Die tunesische Zivilgesellschaft wird ihren Kampf gegen das geplante Polizeischutzgesetz fortführen. Die tunesischen Behörden sollten das Recht auf friedlichen Protest respektieren und von willkürlichen Festnahmen absehen, auch und gerade angesichts des anhaltenden Ausnahmezustands.

Sieben afrikanische Regierungen setzen Spionagesoftware ein

Gemäß einem neuen Bericht von Citizen Lab, einer interdisziplinären Forschungsabteilung der University of Toronto in Kanada, setzen Regierungen von sieben afrikanischen Ländern – Botswana, Äquatorialguinea, Kenia, Marokko, Nigeria, Sambia und Simbabwe – Spionagesoftware ein.

In der Studie wurde bei mindestens 25 Ländern weltweit festgestellt, dass Überwachungssoftware des Unternehmens Circles zum Einsatz kommt. Circles steht in Verbindung mit dem israelischen Technologieunternehmen NSO Group (Anm.: bekannt für die Entwicklung von Überwachungstechnologie) und arbeitet laut eigenen Aussagen lediglich mit Nationalstaaten zusammen.

Der Bericht wurde von Bill Marczak und vier weiteren Forscher*innen verfasst und zeigt „eine eindeutige Signatur, die mit von Circles verwendeten Hostnamen von „Check Point“-Firewalls in Verbindung gebracht werden kann. Dadurch konnten die Einsatzorte von Circles aufgezeigt werden“. Bei Check Point handelt es sich um ein führendes amerikanisch-israelisches Unternehmen für Cybersicherheit.

Die Studie besagt zudem, dass die Technologie von Circles einen bekannten Signalfehler im weltweiten Mobiltelefonsystem ausnutzt, um Anrufe und Nachrichten abzuhören und Telefone zu überwachen.

Die Überwachungstechnik, die von Circles eingesetzt wird, nennt sich Signaling System 7 (SS7) und ist gemäß dem Bericht „eine Protokollsuite, die 1975 für die Zwecke des Informationsaustauschs und der Weiterleitung von Telefonanrufen zwischen verschiedenen Festnetzbetreibern entwickelt wurde“. Derzeit kommt SS7 bei mobilen 2G- und 3G-Netzwerken für grenzüberschreitende Abrechnungen von Roaminganrufen zum Einsatz.

Thomas Brewster, ein Analyst für Cybersicherheit bei Forbes, der bei der Studie von Citizen Lab mitwirkte, erklärt zudem, dass „das SS7-Netzwerk eingesetzt wird, um die Telefondaten an einen Partner-Telekomanbieter weiterzugeben und die Gebühren entsprechend anzupassen“, wenn Personen in ein anderes Land reisen. Jedoch kommt es bei diesem Prozess zu einem Nebeneffekt, wenn es „einem Überwachungsanbieter“ gelingt, auf die SS7-Netzwerke zuzugreifen – „sei es durch Hacking oder durch Ankauf“. Ist dies der Fall, sendet SS7 „Befehle an das ‚Heimnetzwerk‘ von Mobilfunkteilnehmer*innen und gibt dabei fälschlicherweise an, dass sich die Person im Roaminggebiet befindet. Dadurch wird wiederum der Ort der Person preisgegeben, und zwar durch die Koordinaten des nächstgelegenen Mastes“, erklärt Brewster.

Folgende Kunden von Circles in Afrika wurden durch Citizen Lab identifiziert: das Directorate of Intelligence and Security Service von Botswana (DISS, in etwa: Direktion des Nachrichten- und Sicherheitsdienstes), das Innenministerium von Marokko, die Defence Intelligence Agency von Nigeria (DIA, in ewta: Verteidigungsnachrichtendienst) sowie eine unbekannte Behörde in Sambia.

Religionsbehörde ermittelt gegen malaysische Autorin

Die islamische Religionsbehörde Malaysias ermittelt gegen die Autorin Maryam Lee. In ihrem Buch schreibt sie über ihre Entscheidung, den Hijab, den viele muslimische Frauen tragen, abzulegen.

Auf ihrem Blog schrieb Maryam Lee im Oktober 2019, dass sie von der Religionsbehörde des Bundesstaats Selangor – Jabatan Agama Islam Selangor (JAIS) – aufgefordert wurde, bezüglich der Untersuchung einer möglichen Verletzung von Abschnitt 10 (a) des Syariah Criminal Enactment (Selangor) mit der Behörde zu kooperieren. Dieses Gesetz kriminalisiert „jede Person, die durch Worte, die gehört oder gelesen werden können, oder durch Zeichnungen, Zeichen oder andere Formen der Darstellung, die gesehen werden können, oder auf irgendeine andere Weise: (a) den Islam beleidigt oder diesen verächtlich macht“.

Im Fall einer Verurteilung droht ihr eine Geldstrafe in Höhe von 5.000 Malaysischen Ringgit (rund 1.000 Euro), eine dreijährige Haftstrafe oder beides.

Maryam Lee nimmt an, dass dies mit ihrem Buch Unveiling Choice zusammenhängt, das Anfang des Jahres veröffentlicht wurde. Darin geht es um Dehijabbing – die Entscheidung, keinen Hijab mehr zu tragen. Die Veröffentlichung des Buchs wurde zur Kontroverse, nachdem die Religionsbehörde des Premierministers eine Untersuchung angeordnet hatte.

Malaysia hat eine mehrheitlich muslimische Bevölkerung. Die Gesetzgebung des Landes zielt auf Harmonie zwischen den verschiedenen Ethnien und Religionen. Seit einigen Jahren versuchen Hardliner jedoch, auf die strikte Durchsetzung der islamischen Lehre in der Regierungsführung hinzuwirken. In einem Urteil des Obersten Gerichts vom August 2019, das eine Fatwa des Schariagerichts gegen die Sisters in Islam – eine Gruppe, die sich für die Gleichberechtigung von Frauen einsetzt – bestätigt, wird diese Einschränkung religiöser Freiheiten deutlich.

Maryam Lee bat um Solidarität während der Ermittlungen gegen sie:

In situations like this, it is important for us to remind the government that freedom of expression is not a crime and freedom of religious beliefs is not an insult to Islam, and that the protection of these freedoms is essential to uphold human rights for all.

In solchen Situationen ist es wichtig, dass wir die Regierung daran erinnern, dass Meinungsfreiheit kein Verbrechen und Religionsfreiheit keine Beleidigung des Islam ist und dass der Schutz dieser Freiheiten von essenzieller Bedeutung für die Menschenrechte von uns allen ist.

Verschiedene Frauengruppen, Menschenrechtsaktivist*innen, Künstler*innen und Wissenschaftler*innen haben daraufhin Solidaritätsbekundungen veröffentlicht.

Für die Joint Action Group for Gender Equality, einem Zusammenschluss von 13 Frauenrechtsorganisationen in Malaysia, setzt sich Maryam Lees Buch für das Empowerment von Frauen ein:

The book neither promotes nor discourages readers from exemplifying her actions, but in fact, explores the tenets of the decision from one person’s experiences and point of view.

Stories that reflect the varied realities of women are important, as they contribute to the diversity of experiences and discussions around how women are affected by social structures and pressures.

Das Buch fordert weder zur Nachahmung auf noch rät es davon ab; vielmehr beleuchtet es die Grundsätze der Entscheidung aus der Perspektive und anhand der Erfahrungen einer einzelnen Person.

Geschichten, die die verschiedenen Realitäten von Frauen reflektieren, sind wichtig, weil sie zur Vielfalt der Erfahrungen und Diskussionen darüber beitragen, wie sich soziale Strukturen und sozialer Druck auf Frauen auswirken.

Die Organisation Malaysian Action for Justice and Unity weist darauf hin, dass nicht Maryam Lee, sondern das JAIS den Islam beleidige:

It portrays Islam as being a religion of ‘force’ and not one of choice. Islam is not a religion of force, neither is it a religion that enforces. Islam is a religion of discernment, and permits differences of thinking – which is what makes it the great religion that it is. This action by JAIS demeans and insults the very essence of what Islam is.

Es stellt den Islam als eine Religion des ‚Zwangs‘ und nicht als eine Religion der Wahl dar. Der Islam ist keine Religion des Zwangs und auch keine, die etwas erzwingt. Der Islam ist eine Religion der Einsicht und erlaubt Unterschiede im Denken – das macht ihn zu der großen Religion, die er ist. Dieses Verhalten des JAIS erniedrigt und beleidigt die Essenz des Islams.

New Naratif, eine unabhängige Nachrichten-Website, die über Südostasien berichtet, verteidigt Maryam Lees Recht auf freie Meinungsäußerung:

As a movement that stands for democracy, freedom of expression, and freedom of inquiry, New Naratif believes in the need to have space for important discussions, even if they might be sensitive or controversial.

The choice of where or not to don a hijab is a very personal one, and it is important that people have the opportunity to tell their stories, share their experiences, and engage in good-faith conversations, regardless of their ultimate decisions.

Als Bewegung, die für Demokratie, Meinungsfreiheit und Recherchefreiheit steht, ist New Naratif von der Notwendigkeit wichtiger Diskussionen überzeugt, auch wenn es sich um sensible oder kontroverse Themen handelt.

Die Entscheidung, einen Hijab zu tragen oder nicht, ist sehr persönlich und es ist wichtig, dass Menschen die Möglichkeit haben, ihre Geschichten zu erzählen, ihre Erfahrungen zu teilen und sich an Diskussionen zu beteiligen – unabhängig von ihrer letztendlichen Entscheidung.

Verschiedene lokale Aktivist*innen haben eine Erklärung unterzeichnet, in der sie ihre Bedenken bezüglich der Anschuldigungen gegen Maryam Lee äußern:

We view this as an attempt to interfere with women’s choices and their bodily autonomy and specifically their internationally guaranteed right to express themselves. In an increasingly restrictive society, women face numerous challenges and have little space to make decisions for themselves.

The rights to free expression and religious freedoms include the right to express our personal views and the right to make choices about our bodies, which includes deciding whether to wear the hijab or not.

Wir sehen dies als einen Versuch, in die Entscheidungen, die körperliche Autonomie und insbesondere das international garantierte Recht von Frauen, sich auszudrücken, einzugreifen. In einer zunehmend restriktiven Gesellschaft stehen Frauen zahlreichen Herausforderungen gegenüber und haben wenig Raum, eigene Entscheidungen zu treffen.

Die Rechte auf freie Meinungsäußerung und religiöse Freiheit beinhalten das Recht, unsere persönlichen Überzeugungen zum Ausdruck zu bringen sowie das Recht, Entscheidungen bezüglich unserer Körper zu treffen. Dies beinhaltet die Entscheidung, ob wir einen Hijab tragen oder nicht.

Dieser Cartoon stellt Maryam Lees Situation treffend dar:

Als Mutter beunruhigt es mich, dass die muslimische Autorin Maryam Lee angegriffen und zu Unrecht der Islamfeindlichkeit beschuldigt wird, einfach weil sie über ihre persönliche Entscheidung geschrieben hat, keine Hijab zu tragen. Hijab-frei bedeutet nicht antiislamisch! Ein Hijab, der keine Wahl ist, ist Unterdrückung.

Chinas Strombeschränkungen werden in diesem Winter kühl aufgenommen · Global Voices auf Deutsch

Der Winter ist da, doch viele Regionen im Süden Chinas – darunter Hunan, Zhejiang und Jiangxi – haben kürzlich Meldungen über die begrenzte Stromversorgung herausgegeben. Da die Temperaturen in diesen Regionen auf unter null Grad Celsius fallen können und einige der betroffenen Städte (wie Yiwu oder Wenzhou) hoch entwickelt sind, tauchten in der vergangenen Woche Tausende von Beiträgen in den chinesischen sozialen Medien auf, die sich damit befassten, wie die Menschen mit dieser Herausforderung umgehen.

Während einige die Einschränkung des Stromverbrauchs mit Chinas jüngstem Einfuhrverbot australischer Kohle in Verbindung brachten, wiesen andere darauf hin, dass diese Politik mit der Verpflichtung des chinesischen Präsidenten Xi Jinping zur Reduzierung der Kohlenstoffemissionen zusammenhängt. Egal was die Ursache ist, in China wird es in diesem Winter wahrscheinlich kälter werden als sonst, und die Menschen sind darüber alles andere glücklich.

Yiwu, eine Stadt in der Provinz Zhejiang, die für ihre Leichtindustrie bekannt ist, ist mit am stärksten von der Energiebegrenzungspolitik betroffen. Viele Fabriken wurden angewiesen, 20 bis 30 Prozent ihrer Produktionskapazität zu reduzieren, und einige müssen den Betrieb bis Ende Dezember sogar ganz einstellen. Darüber hinaus wurden die meisten Straßenlaternen der Stadt ausgeschaltet und die Behörden haben die Verwendung von Heizsystemen in Handelszentren, Einkaufszentren und anderen öffentlichen Einrichtungen wie Bibliotheken verboten.

Die Beschwerden der Einwohner Yiwus haben die Webseite von Weibo überflutet:

别的什么都能理解,晚上马路关灯什么的真出事了怎么办。我们这说冬季空调不能高于十六度,十六度什么概念吹出来的全是冷风!

Ich kann den Großteil der Maßnahmen zur Stromabschaltung verstehen, aber die Straßenbeleuchtung nachts ausschalten? Was ist, wenn es Raubüberfälle und Unfälle gibt? Wir werden gebeten, unsere Klimaanlagen auf maximal 16 Grad Celsius einzustellen. Wissen Sie, wie kalt der Wind bei 16 Grad Celsius ist?

他妈的,不给开空调就算了,来检查发现我这栋楼有人开空调,把整栋楼的电都停了,无语子,难道供电不是国家的义务吗???我也没有不交电费,凭什么把我点给停了。神经吧!!!!

Ich lebe in Yiwu. Mein Vermieter hat mir gerade die Benachrichtigung des Straßenkomitees geschickt. Wir dürfen die Heizung nicht vor 12 Uhr nachts einschalten, sonst werden wir mit 400 Chinesischen Yuan (ca. 50 Euro) bestraft.

他妈的,不给开空调就算了,来检查发现我这栋楼有人开空调,把整栋楼的电都停了,无语子,难道供电不是国家的义务吗???我也没有不交电费,凭什么把我点给停了。神经吧!!!!

Nun, das Heizungsverbot ist eine Sache. Sobald sie jemanden finden, der gegen die Regel verstößt, schalten sie den Fahrstuhl ab. Sprachlos. Ist die Stromversorgung nicht eine grundlegende Verantwortung der Regierung? Ich bezahle für meinen Strom, wie können die ihn abschalten? Das ist Wahnsinn.

Andere Städte, wie Jinhua und Wenzhou (in Zhejiang) und Changsha (in Hunan), leiden unter ähnlichen Einschränkungen.

Die Mitteilungen über die Kürzungen des Stromverbrauchs wurden inmitten des Handelsstreits zwischen Australien und China bekannt gegeben, bei dem China Sanktionen gegen australische Produkte wie Gerste, Rindfleisch, Lamm und Hummer, Wein, Baumwolle, Holz und Kohle aussprach.

Da die Menge der nach China exportierten australischen Kohle jedoch in 2019 nur etwa zwei Prozent des gesamten Kohleverbrauchs Chinas ausmachte, wies Hu Xijin, Chefredakteur der staatlich angegliederten Zeitung Global Times, die Verbindung der Energieknappheit mit Chinas Verbot zurück:

说这是打击澳大利亚对华煤炭出口导致的供电短缺,纯属胡扯。从澳大利亚煤炭进口的煤炭以焦煤为主,中国的电煤资源很丰富,问题在于开采和运输的组织,澳大利亚方向的进口即使有调整,那点波动对全国供电形势的影响也微乎其微。对澳政策打了我们自己,这种说法是境外势力和国内一些人的恶意杜撰。

Dass die Stromknappheit durch Sanktionen gegen australische Kohle verursacht wird ist Unsinn. Der Großteil der Importe aus Australien ist Kokskohle und China hat riesige Vorkommen an Kraftwerkskohle. Das Problem, um das es geht, ist die Organisation des Kohleabbaus und des Transports. Die Auswirkungen der australischen Kohleimporte sind nicht der Rede wert. Das Gerede darüber, dass wir durch unsere eigenen Sanktionen geschädigt werden, ist eine böswillige Fabrikation von Tatsachen durch ausländische Mächte, und einige kommen sogar aus unserem Land.

Hu betonte, dass die Engpässe nur vorübergehend seien: zum einen aufgrund der übermäßigen Nachfrage im Winter, zum anderen aufgrund der Verpflichtung Chinas, die Kohlenstoffemissionen zu senken.

Im Dezember 2020 erklärte Präsident Xi auf dem Climate Ambition Summit, dass China bis 2030 die Emissionen pro Einheit des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um „mindestens“ 65 Prozent im Vergleich zum Niveau von 2005 senken werde. Chinas Energieversorgung ist jedoch weiterhin stark auf Kohle angewiesen und die Hauptstrategie zur Einhaltung des Ziels besteht darin, den lokalen Regierungen Kohlenstoffemissionsquoten aufzuerlegen.

Hu Xijins Erklärung steht im Einklang mit einer Reihe von Untersuchungsberichten, die darauf hinwiesen, dass viele Regierungen in Südchina die ihnen von der National Development and Reform Commission (in etwa: Staatliche Kommission für Entwicklung und Reform) auferlegten Kohlenstoffemissionsquoten überschritten hatten und daher gezwungen waren, den Energieverbrauch gegen Ende 2020 zu senken.

Solche Erklärungen zogen kritische Kommentare auf sich, da man allgemein der Meinung ist, dass die Verpflichtung zur Senkung der Kohlendioxidemissionen durch eine Umstellung auf saubere Energie vorangetrieben werden sollte, anstatt Städte durch das Abschalten des Stroms im Winter abrupt lahmzulegen. Wie erwartet, folgten auf Hu Xijings Beitrag wütende Reaktionen:

民生是第一位的,是天。外交必须为国计民生服务。千万不能再像60年前那样,自己人饿死那么多,还在外面打肿脸充胖子。

Die Lebensbedingungen der Menschen sollten an erster Stelle stehen. Die Diplomatie sollte den Menschen dienen und wir sollten nicht zur Politik der 1960er zurückkehren, als Menschen verhungerten, während das Land mit anderen Krieg führte, nur um seine Stärke zu zeigen.

Unter der Führung des ehemaligen chinesischen KP-Führers Mao Zedong hatte die Politik im zweiten Fünfjahresplan unter dem Motto „Großer Sprung nach vorn“ zu einer großen Hungersnot geführt, die zwischen 1958 und 1961 den Tod von etwa 45 Millionen Menschen zur Folge hatte. In der Zeit zwischen 1955 und 1965 war China in mehrere militärische Operationen verwickelt, darunter die Krise in der Taiwanstraße (1955 und 1958), der Aufstand in Tibet (1959), der Grenzkonflikt zwischen China und Burma (1960–1961), der Xinjiang-Konflikt (seit 1960), der Indisch-Chinesische Grenzkrieg (1962) und der Vietnamkrieg (1965–1969).

但是,如果是为了节能减排,我看说好多商家都在用柴油机发电,这不是脱裤子放屁了吗

Wenn das Ziel darin besteht, die Kohlenstoffemissionen zu reduzieren, verwenden viele Unternehmer jetzt Heizöl-Elektrogeneratoren [die hohe Kohlenstoffemissionen haben]. Das ist eine Politik, als müsste man sich zum Furzen die Hose runterziehen.

Alle Stimmen anhören

Nachkriegsdeutschland vor 70 Jahren: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk beginnt zu senden. In einem Festakt wurde an diesen Start erinnert – aber vor allem über die aktuellen Herausforderungen diskutiert.

Von Jörg Pfuhl, NDR

Es ist der 4. Mai 1945: „Here is Radio Hamburg, a station of the allied military government. Hier spricht Hamburg, ein Sender der alliierten Militärregierung.“ Zuerst sind es die alliierten Sieger, die in Deutschland Radio machen. Erst Jahre später dürfen deutsche Zivilisten die Sender übernehmen – bis 1949, vor 70 Jahren, das Grundgesetz den Öffentlich-Rechtlichen mit der Pressefreiheit ihr Fundament gibt.

Heute seien es fake news, die den demokratischen Diskurs von innen bedrohen, und Algorithmen-getriebene Tech-Firmen aus dem Silicon Valley, die Europas Presselandschaft austrocknen. Netflix allein, sagt BBC-Generaldirektor Tony Hall bei dem Festakt auf dem NDR-Gelände in Hamburg-Lokstedt, habe für seine Filme ein Budget fast doppelt so groß wie alle Öffentlich-Rechtlichen in Deutschland zusammen.

Und trotzdem schaffe man immer wieder Gemeinschaftserlebnisse – ob Weltmeisterschaft, Königliche Hochzeit oder aufwendige Dokus wie der „Blaue Planet“, produziert von Öffentlich-Rechtlichen in Deutschland und Großbritannien: „Allein sind wir nicht groß genug, aber zusammen sind wir eine große Familie. Wir arbeiten zusammen, um bestehen zu können.“ Eine dreiviertel Milliarde Menschen habe die zweite Staffel des „Blauen Planeten“ gesehen: „Man muss kein Riese von der US-Westküste sein, um gewaltige Wirkung zu haben.“

„Alle Sichtweisen widerspiegeln“

Schwerer noch als die Herausforderung durch die Tech-Riesen empfindet Hall die Fragmentierung der Gesellschaft. Den Filterblasen und Echokammern des Internets setzt der BBC-Mann den Anspruch auf Universalität entgegen – eine Verpflichtung, jeden zu erreichen: „Alle Sichtweisen widerzuspiegeln und darzustellen – um zu gewährleisten, dass alle Stimmen gehört werden.“

Alle Stimmen hören, womöglich auch solche, die von der Abschaffung der Demokratie träumen? Der ARD-Vorsitzende Ulrich Wilhelm versucht den Spagat. Demokratisch gewählte Parteien gehörten natürlich in die Nachrichtensendungen. Man müsse es aber zugleich hinterfragen, einordnen, überprüfen und auf Provokationen einen angemessenen Umgang finden.

„Gewisse Form von Mehltau“

Julia Jäkel, die Vorstandschefin der Bertelsmann-Tochter Gruner+Jahr, mahnt ihre Kollegen von den Öffentlich-Rechtlichen, kein closed shop zu werden. Die richtig tollen Dokus liefen erst um Mitternacht, ansonsten Krimis ohne Ende – zu einfallslos: „Eine Regelmäßigkeit an konstantem Geld, das von oben fließt, kann auch irgendwie zu einer gewissen Form von Mehltau führen und nicht zu Kreativität.“

Im Publikum sitzt ihr Ehemann Ulrich Wickert und lächelt. Vermutlich verbucht er es als Kritik unter Freunden. „Ich freu‘ mich, wenn ich sehe, wie es die Tagesschau geschafft hat, auch in dieser digitalen Welt eine unfassbare Reichweite zu halten“, sagt seine Frau. Da freue sie sich als Wettbewerber und als Bürgerin. „Und ich bin Ihnen sogar so freundschaftlich verbunden, dass ich einen von Ihnen geheiratet habe… also mehr kann ich nicht als Liebeserklärung zum Geburtstag machen!“